Female Voices
You Are Reading
Marliina im Interview
0
Interviews

Marliina im Interview

Beim wiederholten Eintauchen in Marliinas Welt und dem stillen Beobachten ihrer Kanäle wurde mir eines immer klarer: Diese Musikerin ist eine Kämpferin. Mit unerschütterlichem Herzblut und einer Hingabe, die weit über das Musikalische hinausgeht, investiert sie in ihre Kunst.

Doch der Weg zu ihrem neuen Album war alles andere als gradlinig. Zwei Jahre lang rang Marliina mit einer lähmenden Schreibblockade, ausgelöst durch abwertende Reaktionen auf ihre surrealistischen Texte, Bilder und Songs. Erst eine Reise nach Kanada im Sommer 2023 brachte die Wende: In Zusammenarbeit mit Produzent Steve Dierkens entstanden dort neue Stücke, die den kreativen Stillstand durchbrachen und sie zurück zu sich selbst führten.

„My Funeral“ ist demnach mehr als ein musikalischer Neuanfang. Dieses Album ist ein Manifest der Selbstkonfrontation, ein Eintauchen in die dunklen Tiefen des Meeres, dorthin, wo Schatten wohnen, und Erkenntnis beginnt. Es ist eine Suche nach Sinn, nach Identität, nach dem, was war und dem, was noch kommen mag.

Ende Oktober erscheint ihre EP „Be Kind“ – ein leiser, aber eindringlicher Appell an die Menschlichkeit. Denn, wie Marliina sagt: „Wir wissen nie, was in unserem Gegenüber vor sich geht.“ Und darüber haben wir gesprochen:

  • Du hattest eine Schreibblockade, die du mit Hilfe von Steve Dierkens überwinden konntest: Daraus folgte „My Funeral“ im Mai 2025. Gab es einen bestimmten Moment, in dem du wusstest: Jetzt ist die Schreibblockade überwunden?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich sagen würde, sie sei komplett weg, aber eine Sache habe ich definitiv gelernt. Ich zerdenke den Prozess nicht mehr so sehr wie vorher. Früher hatte ich Angst vor unfreundlichem Feedback, da ich das oft bekommen habe.

Das Selbstbewusstsein zu meiner Arbeit, der Person, die ich bin und was ich alles kann, das musste erstmal in mir wachsen. Steve hat mir dabei sehr geholfen und er nimmt mir auch wirklich vieles ab, entwickelt Ideen mit mir weiter und geht enorm auf meine Wünsche ein.

Es fällt mir heute sehr leicht negative Gedanken von mir wegzuschieben und einfach mal loszurennen, zu entdecken, zu fühlen und das dann eben zu singen. :).

Ab und zu blockieren mich diese Gedanken noch, allerdings nie für sehr lange. Und manchmal gibt es eben auch Phasen, da kann ich nicht kreativ arbeiten. Diese erkenne ich auch als „Phase“ an und stresse mich nicht so in den Prozess rein. Das hilft mir sehr, denn ich muss nicht jeden Tag einen neuen Song schreiben.

  • Wie gehst du heute mit Kritik um – besonders mit der, die dich früher blockiert hat?

Sie berührt mich nicht mehr. Das Problem von damals war, dass es irgendwelche Menschen waren, die mir ihre Meinung als Kritik verkaufen wollten, selbst aber keine tiefergehende Erfahrung im Bereich Musik hatten. Und ja ich spreche hier von Hobby Musikern und Sängern, denn einen Song zu Covern ist einfach nochmal was ganz anderes, als selbst die Feder in die Hand zu nehmen. Und selbst viel Musik hören ist auch nicht die Basis, für die Dinge, die ich so gesagt bekommen habe. Naja.

Die Menschen, die wirklich was auf dem Kasten haben, gehen viel Bescheidener mit ihrem Feedback um. Sie fragen, ob sie etwas kommentieren dürfen. Ich genieße es sehr in den Austausch mit diesen Menschen zu gehen, da ich noch so vieles lernen kann.

Man ist nicht gleich „kritikunfähig“, wenn man vorher filtert, von wem man kritisiert werden möchte. Das wird einem dann auch gerne vorgeworfen. Ist aber totaler Quatsch. 🙂

  • In „I’ve Trusted In You“ geht es um verlorene Freundschaft – Was bedeutet dir der persönlich?

„I’ve Trusted In You“ ist 2021 entstanden und es fällt mir tatsächlich etwas schwer die persönliche Bedeutung in Worte zu fassen. Ich bin sehr genervt davon, wie manche Menschen mit ihren Mitmenschen und deren Vertrauen umgehen. Manchmal fühlt es sich so an, als würde irgendein Programm ablaufen und es ist egal was man macht, man kann es nicht stoppen. Es ist eine Mischung aus Trauer und Wut, aber auch aus Frieden und Liebe. Ich habe durch meine Geschichte gelernt meine engen Freunde sorgfältig auszusuchen und seither sehr tiefe Freundschaften geknüpft.

  • Du sprichst über Verletzlichkeit und Selbstfindung. Was möchtest du den Hörenden mitgeben?

Ich möchte meinen Hörern mitgeben, achtsam mit sich selbst und ihrer Umwelt, ihren Mitmenschen zu sein. Wir können nicht immer in die Köpfe der anderen schauen. Wir können ihnen allerdings mit Verständnis begegnen. Jedoch sollten wir auch gehen, wenn wir merken, dass uns dieses Verständnis nicht entgegengebracht wird. Balance ist wichtig. Und Verständnis heißt nicht, dass man alles schlucken muss, was einem aufgetischt wird.

  • „Abyss‘ und „Invisible“ hast du bereits auf deinem Album „My Funeral“ veröffentlicht. Warum hast du dich entschieden, gerade diese beiden Songs in reduzierter Form für die EP neu zu interpretieren? Gibt es eine besondere Verbindung oder Entwicklung, die du damit zeigen möchtest?

Ich habe diese beiden Songs ausgewählt, da sie ein Teil der Geschichte sind, die ich erzählen möchte. Auch weil sie am Klavier so vor den fertigen Arrangements entstanden sind. Klavier und Stimme ist etwas sehr Intimes. Ohne Filter, ohne Effekte. Das gibt mir die Möglichkeit noch einmal eine andere Facette zu öffnen.

„Abyss“ war der Entschluss umzudrehen, nicht mehr reinpassen zu wollen, gegen den Strom zu schwimmen und das Gefühl, welches mit dieser Entscheidung einhergeht. Man entfernt sich von der „Gruppe“ und ist ganz auf sich alleine gestellt. Aber man steht für sich selbst ein und das Vertrauen sich selbst zu finden ist spürbar.

„Invisible“ ist für mich der persönlichste und ehrlichste Song, den ich bisher geschrieben habe. Ein Ist-Zustand der Welt, in der ich mich jeden Tag wiederfinde (oder damals wiederfand) und die eigentliche Mission, die Wünsche, die ich als Kind hatte.

Beide Songs sind ein Aufruf: „Be Kind“.

Wir wissen nie, was in unserem Gegenüber vor sich geht. Und wir sollten aufeinander aufpassen, uns so akzeptieren wie wir sind und eine Gemeinschaft schaffen. Heutzutage denken so viele Menschen an sich selbst. Und ich kann es ihnen nicht verübeln, denn unsere Gesellschaft verleitet uns dazu. Das möchte ich aufbrechen.

Es geht um Vertrauen, innere Wünsche, Frust, Selbstliebe.

  • Glaubst du, auch als Gesangslehrerin, dass Musik helfen kann, Wunden zu heilen?

Ja definitiv. Singen hat einen stark positiven Einfluss auf unser Gemüt. Es hilft gegen Angst und Stress. Wir sollten alle viel mehr singen. Und es ist egal ob man die Töne nun trifft oder nicht, drückt euch aus, grölt eure Lieblingssongs mit und GENIEßT ES! 🙂

  • Wenn Du einen Wunsch in der Musikindustrie frei hättest – welcher wäre es?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich denke ich würde mir wünschen, dass KI-Musik nicht kommerzialisiert werden darf, wenn es sich um reine KI handelt. Die Menschheit hat immer neue Tools entwickelt, um bei Problemstellungen zu helfen, allerdings habe ich auch im Umfeld ein paar Menschen um nicht herum, die sich mit Musik die zu 100% von KI erstellt wurde selbst Songwriter nennen und der Meinung sind, dass sei kein Handwerk und gar nicht schwer. Diese Musik kann man über Streamingplattformen monetisieren und das geht einfach gar nicht.  Das ist einfach ein Schlag ins Gesicht jeder kreativen Person. Ich habe noch mehr Wünsche… aber das würde den Rahmen etwas sprengen. 🙂

  • Vielen lieben Dank für das Interview

Wertvolle Links: