Das CD-Cover präsentiert ein Porträt der Musikerin mit einem ernsten, ruhigen Blick, das zentral platziert und in einem realistischen Stil gestaltet ist. Im Kontrast dazu ist der Hintergrund lebendig und künstlerisch verspielt, geprägt von leuchtenden Farben, wie Gelb, Lila, Grün und Blau. Diese Farben wirbeln in abstrakten Mustern und floralen Formen um die Porträtfigur herum, wodurch ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Ruhe und Dynamik entsteht.
„GYVA ČIA“ steht links senkrecht geschrieben, in blauen Buchstaben mit einem leichten Schatteneffekt. Der Hintergrund ist eine Mischung aus warmen und kalten Farbtönen, die dem Cover eine fast traumhafte, spirituelle Atmosphäre verleihen. Es wirkt, als sei Agota Zdanavičiūtė in eine lebendige, natürliche Welt eingebettet.
Der Titel des Albums „Gyva Čia“ ist litauisch und lässt sich je nach Kontext poetisch oder symbolisch interpretieren – im Sinne von „Hier ist die Lebendigkeit“. Damit passt er hervorragend zu dem ausdrucksstarken und naturverbundenen CD-Cover. Adam Ormes und Aleksandra Fominaitė haben die Gedichte des litauischen Nationaldichters Vladas Braziūnas ins Englische übersetzt. Die Originaltexte sind im Booklet abgedruckt und bieten so einen direkten Einblick in die litauische Poesie.
Der Opener „troškulys“ (Durst) wirkt existenziell, fast schon verzweifelt – wie ein innerer Schrei nach Sinn in einer Welt voller Illusionen und Unwirklichkeit. Der Song beschäftigt sich mit dem Gefühl von Entfremdung, Leere und der Suche nach Wahrheit und Bedeutung im Leben. Die Wiederholung von „the sands will extend a mirage to us both“, wirkt fast wie ein Mantra oder ein Echo – sie verstärkt das Gefühl, in einem Kreislauf von Illusionen und vergeblichem Suchen gefangen zu sein.
Mit dem Tod beschäftigt sich „gyviems gyventi“ (damit die Lebenden leben können). Ebenso mit den Erinnerungen an Verstorbene und der Frage, wie das Leben für die Zurückgebliebenen weitergeht. Der Song drückt poetisch das Nachdenken über das Vermächtnis der Verstorbenen aus – und über die Bedeutung, die ihr Leben und ihr Tod für die Lebenden haben.
In „mįslė. Žvėris“ (Rätsel: Die Bestie) wird kein echtes Tier symbolisiert, sondern eine Macht, ein Gefühl oder ein Trauma. Möglicherweise geht es in dem Gedicht um eine unberechenbare Kraft – das Biest –, das in unsere Welt eindringt und für Verwirrung sorgt, wodurch Chaos entsteht. Das Biest ist dabei weder greifbar noch erklär- oder kontrollierbar.
In „gyvasčia“ (Essenz) wird der Frühling metaphorisch als Symbol für die Transformation von Erstarrung und Taubheit zu Lebendigkeit und Verbundenheit dargestellt. Das Lied beschreibt das innere Erwachen, das durch eine spirituelle Verbindung erforscht und erlebt wird.
Den Abschluss bildet der konfliktreiche Song „demonai“ (Die Dämonen), der auf alte Wunden hinweist, die sowohl faszinierend als auch fesselnd sind. Der Song wirkt wie ein traumhafter innerer Monolog und erzählt von einer Beziehung, die von dunklen, zerstörerischen Kräften geprägt ist, gleichzeitig aber auch eine tiefe Sehnsucht widerspiegelt.
Das „Folk“-Album „Gyva Čia“ von Agota Zdanavičiūtė ist ein tiefgründiges und poetisches Werk, das durch seine Verbindung von litauischer Poesie, traditioneller Musik und emotionaler Ausdruckskraft besticht. Mit ihrer Kanklės und ihrer eindrucksvollen Stimme schafft sie eine Atmosphäre, die den Zuhörenden in eine träumerische Welt entführt und zum Nachdenken über Themen wie Sehnsucht, Vergänglichkeit, Trauma und die Suche nach Wahrheit anregt.
Das kunstvoll gestaltete Cover unterstreicht die Balance zwischen Ruhe und Lebendigkeit, während die vielfältigen Themen der Lieder eine Reise durch existenzielle Fragen und spirituelle Transformationen bieten. „Gyva Čia“ ist ein imposantes, zugleich leises Werk, das durch seine Tiefe und Vielschichtigkeit immer wieder neue Räume für eigene Interpretationen eröffnet.
Wissenswertes:
- Das Cover zeigt Motive aus den Werken der Malerin Loreta Zdanavičienė (ihrer Mutter) „Evening at Dawn“, „Pollen Rain“ und „Yellow Window“, sowie eine Kollodium-Nassplatte des Fotografen Artūras Šeštokas
Wertvolle Links:
- Bandcamp: https://agotazd.bandcamp.com/
- Instagram: @ agota.kankles