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Elise LeGrow – Grateful
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Elise LeGrow – Grateful

Elise LeGrow besticht durch ihre knackige Gänsehautstimme. Denn wenn ihre Stimme ertönt, dann lässt sie Buntglasfenster zerspringen und den Menschen in den Sitz drücken. Ihr feuriger wie auch eleganter Glamour Pop, der im Sixty-Look gekleidet ist, wird zu einem trommelwirbelnden Rausch.

Doch gab es in ihrem Leben eine weniger elegante Berauschung. Denn in ihr wütete eine Schlacht, in der sie siegen musste. Es gab Kämpfe mit psychischer Gesundheit sowie Alkohol und Drogen, die ausgefochten werden mussten. Die sie daran hinderten, ein gesundes und somit ausgeglichenes Leben zu führen. „Besonders in den dunklen Wintertagen, hier auf der Nordhalbkugel, muss die psychische Gesundheit eine Priorität sein. Denkt daran, dass Tränen heilende Kräfte haben und dass es manchmal gut ist, zu weinen.“, erzählt Elise LeGrow auf ihren Kanälen.

Optisch und stilistisch lebt die kanadische Soul-Sängerin und Songwriterin den Retro-Vintage-Stil aus. Dies widerspiegelt sich auch in ihrer Musik, die modern, zeitlos wie auch anachronistisch ist. Mit 18 war sie die Einzige in ihrem Umfeld, die von der Popmusik der 60er und der Mode aus dieser Zeit nahezu besessen war. Ihrem geliebten Retro-Styling ist sie bis heute treu geblieben. Dementsprechend brilliert Elise LeGrow nicht nur optisch, sondern auch musikalisch. – Und das mit einem hervorragendem „Grateful“.

„Feel Alright“ ist ihre schweißtreibende Dancefloor-Hymne und der Auftakt eines Meisterwerkes. Diese wurde von einem Samstagabend in Toronto inspiriert, nachdem sie gerade mit dem Trinken und den Drogen aufgehört hatte. Umgeben von ihren besten Freunden, verloren in der Musik und der schieren Energie des Raumes, wurde sie daran erinnert, dass Tanzen in einer Menschenmenge an sich schon ein ziemlich sensationeller Rausch ist. „Es ist eine Ode an die verschwitzten Tanzflächen, die ich so vermisse, dieses unglaublich gute Gefühl, das sich einstellt, wenn man von vielen Menschen umgeben ist. Je öfter ich den Song während dieser Pandemie singe, desto mehr wird er zu ′I just want to feel alright; I just want to feel okay‘„, erzählt Elise LeGrow

„Drinking in the Day“ ist ihr meist missverstandener Song. Selbst ist es – wie angenommen – kein Partylied. Elise LeGrow sprach sehr offen darüber: „Dieser handelt von Trauer, Liebe und Verlust. Es geht um Sublimierung und soziale Probleme – einschließlich Alkoholismus -, die durch die „Jungs weinen nicht“-Rhetorik aufrechterhalten werden, die über Generationen weitergegeben wurde und in den 90ern, als wir aufwuchsen, allgegenwärtig war. Es ist die wahre Geschichte von Jungen im Alter von 3 und 4 Jahren, denen beigebracht wurde, ihre Tränen zu unterdrücken und ein tapferes Gesicht aufzusetzen, als ob dies der einzige Weg wäre, ein Mann zu sein/zu werden.  Spulen wir 20 Jahre zurück, und einer dieser Jungen war zu einem Mann herangewachsen, den ich sehr liebte, der nicht weinen konnte, selbst wenn er es wollte, wenn er es brauchte, ein Mann, der trank, um damit fertig zu werden. Und es war schwer, das mit anzusehen. Ich kann mir seinen Schmerz nicht vorstellen, der durch die Scham noch verstärkt wurde. Viele unserer geschlechtsspezifischen Funktionsstörungen aus dem 20. Jahrhundert scheinen zu verschwinden, und ich hoffe, dass dieser schädliche Stereotyp mit ihm verschwindet.“

Der Song „Love Me or Leave Me Alone” reflektiert eine ungute Beziehungsebene. Aufopferungsvoll wurde viel Liebe in eine Beziehung gesteckt, die keine ist und nur auf Einseitigkeit beruht. Die emotionale Schwankung des toxischen Verhältnisses besingt Elise LeGrow mit voller Inbrunst. Ihren Liebeskummer lässt sie in die Noten fließen. – Mit diesem Song wurde mit einer phänomenalen Brass-Band ein gewaltiges Stück Musik aufgenommen! Alle Achtung!

„Evan“ ist ein stark berührender „Farewellsong“, vermutlich auch eine Abbitte. Hierbei verarbeitet sie jene Schuldgefühle, die sie nach wie vor in sich trägt, weil sie nach draufgängerischen Jahren jugendlicher Unbesonnenheit mit dem Leben davongekommen ist: „Er und ich waren einmal auf dem gleichen Weg. Und es liegt keine Gerechtigkeit in der Tatsache, dass ich noch hier bin und er nicht.“ sagt die jetzt vernünftig gewordene Sängerin.

In „Better Side“ geht es um ein Lächeln und dass es die kleinen Dinge sind, die einen glücklich machen, wenn die Einsamkeit in der großen Stadt größer ist als die Stadt selbst. Was Elise LeGrow auch schätzt, sind Paare wie ihre Großeltern, die sie dazu inspirierten „Forever“ zu schreiben. Mit dem Wissen, dass es weder einfach noch perfekt, jedoch eine lebenslange Liebe war.

Mit „Gratefull“ legt sie ihre Vergangenheit ab und präsentiert ein Album, welches die persönlichen Episoden ihres Lebens offenbaren. Umso mehr bestärken die Aufnahmen dem Leben die verdiente Liebe zurückzugeben, die es braucht; abseits der einnehmenden Substanzen, die das Gefühl der Einsamkeit übertünchen.

***„Love Me or Leave Me Alone” erinnert mich stark an „Only Love Can Hurt Like This” von Paloma Faith. Für Fans von Paloma Faith ist die Musik von Elise LeGrow ein Must-Have! – Unbedingt! Wenn ich Elise LeGrow betrachte, mangelt es mir an Vorstellungskraft, dass solch eine moderne Frau, die vom äußeren Eindruck her, sofort ins Auge sticht, einer Drogen- und Alkohol Plage unterworfen war. Bin ich froh, dass sie es geschafft hat und mit dem Album eine stärkende Zeitlosigkeit der Welt geschenkt hat.


Foto: Jen Squires

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