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Lankum – Ghost Town
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Unique Singles

Lankum – Ghost Town

In einer Zeit, in der sich die Risse in unserer Gesellschaft nicht mehr übersehen lassen, entfaltet Musik, die diese Brüche hörbar macht, eine besondere Kraft. Lankum, das Dubliner Quartett, das sich längst als radikale Erneuerer des traditionellen Folks etabliert hat, legt mit seiner neuen Single „Ghost Town“ ein Werk vor, das Vergangenheit und Gegenwart auf erschütternde Weise miteinander verwebt.

Lankum steht für eine kompromisslose musikalische Haltung. Ihre Klangsprache verbindet den Reichtum uralter Balladen mit düsteren, filmischen und beinahe industriellen Texturen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen irischer Musiktradition und zeitgenössischer Experimentierfreude. Der Bandname verweist auf „False Lankum“, eine überlieferte Ballade, die sinnbildlich für ihre tiefe Verwurzelung in der mündlichen Tradition steht. Doch diese Tradition wird nicht konserviert, sondern mutig transformiert.

Mit einer Vielzahl an Instrumenten – von Uilleann Pipes und Harmonium bis zu elektronischen Schichten – erschaffen Lankum eine Musik, die archaisch wirkt und zugleich erschreckend gegenwärtig klingt. Ihre Stücke sind keine Arrangements im klassischen Sinne, sondern klangliche Erkundungen, die Schmerz, Widerstand und kollektives Gedächtnis hörbar machen.

Die neue Single „Ghost Town“ ist eine epische Interpretation des gleichnamigen Songs von The Specials aus dem Jahr 1981. Das dazugehörige achtminütige Video stammt von Regisseurin Leonn Ward und Kameramann Robbie Ryan („Poor Things“, „Marriage Story“, „I, Daniel Blake“) und wirkt wie eine visuelle Meditation über Verfall und Widerstand.

Der Originalsong war ein musikalisches Zeitdokument über die sozialen Spannungen und den Zerfall britischer Städte Anfang der 1980er Jahre. Er wurde zur Hymne einer Generation, die unter Arbeitslosigkeit, Gewalt und politischer Frustration litt. Bis heute gilt „Ghost Town“ als Meisterwerk des musikalischen Protests – ein Stück, das soziale Missstände nicht nur benennt, sondern fühlbar macht.

„Der Song kam unter einigermaßen kuriosen Umständen zu uns“, erzählt die Band. Die Tänzerin und Choreografin Oona Doherty, bekannt durch ihre eindrucksvolle Arbeit im Video zu Gilla Bands „Shoulderblades“, kontaktierte Lankum mit einer ungewöhnlichen Anfrage. Für eine neue Show über ihren Ur-Ur-Großvater, der als Kind nach Belfast geschickt wurde, um in einem Schlachthof zu arbeiten, suchte sie ein Musikstück für eine Halloween-Partyszene.

„Ich fragte die Band, ob sie mir ein Cover von ‚Ghost Town‘ machen könnten“, berichtet Oona. „Und verdammt, sie haben es tatsächlich getan. ‚All the clubs have been closed down‘ – diese Zeile trifft auch heute noch ins Mark. Sie spricht von Wohnungskrise, Armut und der fortschreitenden Privatisierung Irlands.“

Lankum selbst war zunächst zögerlich. Ein Ska-Cover lag nicht gerade in ihrer Komfortzone. Doch Oonas Anfrage wurde zur Herausforderung, die sie annahmen. „Es ist uns eine Ehre, eine Version dieses ikonischen Stücks zu veröffentlichen. Es fühlt sich auf unheimliche Weise aktuell an, um Themen wie städtischen Verfall, wirtschaftliche Not und den Frust der Arbeiterklasse zu verhandeln.“

Auch Regisseurin Leonn Ward beschreibt ihre Vision eindringlich: „Als ich den Track zum ersten Mal hörte, hat er mich umgehauen. Pure Emotion und Kraft. Es war uns wichtig, ein Werk zu schaffen, das sich ehrlich anfühlt, welches sich nicht vor Verletzlichkeit scheut und gleichzeitig Leichtigkeit und Ausdauer vermittelt. Es geht nicht um Verzweiflung, sondern um Widerstandsfähigkeit.“

Im Video wird die Band in einem Auto ins Zentrum gerückt – eine subtile Hommage an das ikonische Originalvideo von The Specials. Ihre Präsenz verschmilzt mit der einsamen Reise eines Mannes. Obwohl sie sich nie begegnen, entsteht eine stille Kommunikation. Stärke, Ausdauer, Hoffnung.

„Ghost Town“ ist ein Echo aus der Tiefe, ein Ruf durch die Nebel der Geschichte. Eine Erinnerung daran, dass Widerstand nicht laut sein muss, um gehört zu werden. Lankum haben diesen Ruf aufgenommen und ihn in etwas verwandelt, das bleibt.


Wissenswertes:

  • „Ghost Town“ ist ab sofort überall digital erhältlich. Eine 12″ erscheint am 31. Januar.
  • Das letzte Album war für den Ivor Novello und den Mercury Award nominiert und wurde u. a. vom UNCUT Magazine, The Guardian, Loud & Quiet und The Quietus zum Album des Jahres gewählt.
Sorcha-Frances-Ryder

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