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REMINA – The Silver Sea
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Vinyl Dark Diamonds

REMINA – The Silver Sea

In einer Welt, die sich immer schneller dreht und dabei ihre Tiefe verliert, öffnet REMINA ein Portal zu einer anderen Dimension – jene in der sich Zeit, Raum und Gefühl auflösen und neu zusammensetzen. „The Silver Sea“, das neue Cosmic-Doom Album des Duos von Heike Langhans und Mike Lamb, ist eine Reise durch kosmische Einsamkeit, existenzielle Erkenntnis und die fragile Hoffnung, dass Liebe selbst im Angesicht des Untergangs überdauert.

Nach drei Jahren des Reifens wurde „The Silver Sea“ zum Spiegel innerer und äußerer Umbrüche, sowie zu einem Klangkörper der Entwurzelung. 2023 wagten REMINA erstmals den Schritt auf die Bühne und verbrachten eine intensive Zeit im Norden Italiens, um ihre Songs mit einem neuen Live-Lineup zum Leben zu erwecken. Diese Erfahrung prägte die Herangehensweise an das Album, das direkter und greifbarer wurde, zugleich durchdrungen von jener atmosphärischen Tiefe, mit der REMINA seit jeher berührt und sich auch auszeichnet.

Die Entscheidung, Europa zu verlassen und nach Neuseeland zurückzukehren, um der Familie näher zu sein, hinterließ Spuren – nicht nur im Leben des Duos, sondern auch in der emotionalen Textur des Albums. Jeder Song erzählt eine eigene Geschichte, worin sich jedoch ein unsichtbarer Faden durch das Werk zieht: eine übergeordnete Erzählung von Abschied, Erinnerung und der Suche nach einem neuen Ort – im Universum, wie im Herzen.

Die sieben Stücke wirken wie Sternenstaubfragmente, herabregnend aus einem zerfallenden Kosmos, berührend in ihrer Zartheit. Sie erzählen von Verlust, Entropie und der Sehnsucht nach Verbindung – nicht als kitschige Erlösung, sondern als leiser Widerstand gegen das Verstummen. REMINA gelingt es, wissenschaftliche Metaphern mit zutiefst menschlichen Emotionen zu verweben. Die Texte sind durchzogen von dunkler Poesie, die sich nicht scheut, das Herz zu schützen, aber gerade darin ihre Kraft entfaltet.

Der Opener „Trust No One“ fängt den Konflikt zwischen Loyalität und Ehrlichkeit präzise ein und unterstreicht die Isolation in einer Welt voller Halbwahrheiten. Gefangen in einem ethischen Dilemma, in dem Schutz zur Belastung wird und Wahrheit zur Gefahr. Der Refrain „Trust no one“ wirkt wie ein verzweifelter Abwehrmechanismus, ein Mantra gegen die eigene Verletzlichkeit. Die Paranoia ist nicht nur gesellschaftlich, sondern zutiefst persönlich: ein Schutzschild gegen Enttäuschung, Verrat, vielleicht sogar gegen die eigene Sehnsucht nach Nähe.

„Algol“, benannt nach dem „Dämonenstern“, einem veränderlichen Stern in einem binären System. Die Lyrics beschreiben eine zerstörerische Beziehung, die wie zwei Himmelskörper in einem endlosen Tanz der Selbstzerstörung gefangen ist. REMINA beschreiben das Bild einer kosmischen Trennung, die zugleich emotional und physikalisch wirkt. Es geht um Opfer, um das Durchbrechen von Zyklen, und darum, dass derjenige, der überlebt, am meisten leidet.

Das dunkelste bekannte Material – „Vanta Ray“ – wird zur Metapher für Flucht, Tarnung und Widerstand. Die Protagonistin verwandelt sich in einen Schatten, um zu überleben: „Ich habe mich selbst in diesen Schatten verwandelt“. Trotz Angst gibt es Entschlossenheit: „Ich habe nie so viel Angst gehabt zu sterben, aber ich werde niemals kampflos untergehen“. Ein Lied über das Überleben im Verborgenen, über die Kraft der Unsichtbaren.

Der hypothetische Planet „Theia“ kollidierte mit der Erde – hier als Symbol für kosmische Katastrophe und existenzielle Erkenntnis. Alles strebt dem Zerfall entgegen. Doch es gibt Hoffnung auf einen Neuanfang, auf ein Erwachen in einer anderen Welt. Die Lyrics sind apokalyptisch und zugleich ergeben, ein Abschied mit offenen Augen.

Als eine Hommage an Alastair Reynolds’ Sci-Fi-Roman fungiert „House of Suns“. Die Erzählerin ist die letzte Überlebende, zurückgelassen in der Andromeda-Galaxie. Eine erschütternde Einsamkeit sucht nach Antworten an Orten, die man lieber vergessen würde. Es ist ein Lied über das Scheitern von Missionen, über das Verloren Sein im All und die Last des Erinnerns.

Der Song „Io“ bezieht sich auf eine Liebesgeschichte zwischen Monden. Der Splitter von Jupiters Mond wird zum Symbol für verborgene Wahrheit und Schutz. Die Trennung ist notwendig, um zu überleben. „Je weiter auseinander, desto sicherer sind wir“ – ein bittersüßer Abschied, getragen von Hoffnung und Schmerz.

Die Fokussingle „Silence and The Silver Sea“ ist ein Requiem. Der „Silberne See“ ist ein Ozean aus Trümmern, Erinnerungen und Schweigen. Es geht um Umdenken, Erkenntnisse und fehlgeleiteter Sehnsucht. Die Erzählerin bleibt zurück, durchstreift die Leere, trägt Schuld und Liebe zugleich in sich. Es ist ein Lied über Verlust, über das Scheitern menschlicher Ambitionen – und über die stille Würde, die im Überleben liegt.

Und so endet „The Silver Sea“ mit einem letzten Atemzug zwischen den Sternen, der sich weigert, ganz zu verstummen. REMINA lassen die Hörenden zurück in einer Welt, die nicht geheilt ist, aber in der Heilung möglich scheint. Mit diesem Album erreichten sie ein neues Level, welches für jene ist, die in der Dunkelheit nicht nur Trost, sondern Wahrheit suchen. Heikes Stimme schwebt darin wie ein Nebel aus Licht und Schmerz, durchdringend und zugleich tröstlich. Möge dich die Dunkelheit nicht erdrücken, sondern genauso inspirieren wie REMINA.

*** Und wieder wirbelt der Sound unter meiner Haut wie ein Spiralnebel.


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Meine Vinyl: Gatefold sleeve, silver and clear galaxy Vinyl (Lieferrückstand – Lieferung verzögert sich um einen Monat *so ein Mist*)