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SILLY – Instandbesetzt
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SILLY – Instandbesetzt

Es ist schon seltsam, dass man des Öfteren Altbewährtes gerne bewahren möchten. Ebenso, dass keine Neuerungen in der Band stattfinden sollten, da niemand an das Original herankäme. Vielleicht ist es auch nur ein Muster der Wiedererkennung, indem wir uns wohlfühlen. Doch ist der Wunsch nicht erfüllbar. – Indessen lebt in SILLY-Willen der Mythos einer früh verstorbenen Ausnahmesängerin und Ikone auf den Platten sowie in den Videos weiter. Und wenn das neue Album „Instandbesetzt“ mit geschlossenen Augen angehört wird, so kann man das Lächeln der Tamara Danz spüren.

Ferner wurde das Haus um SILLY herum von AnNa R. und Julia Neigel instandgesetzt, sogar „Instandbesetzt“, so wie es das Lied aus dem Jahre 1996 des „Paradies“ Albums beschreibt. Mit den beiden Diamanten haben SILLY zwei großartige Stimmen gefunden, die die Favoriten vergangener Alben, sowie drei neue Lieder, hervorragend umsetzen, neu deuten, gar funkeln lassen. AnNa R. (Rosenstolz, Gleis 8) und Julia Neigel besitzen viel Liebe in ihren Kehlen. Sie müssen nicht verglichen werden, denn sie können mit ihren Stimmen einen bannen, und genauso leise und verletzlich, sowie zugleich auch laut und kraftvoll sein, wie einst Tamara Danz.

Das Artwork des neuen SILLY-Werkes zeigt ein Haus aus Bauklötzern auf, indem ein Klotz herausrückt. Im Pressetext fasst Uwe Hassbecker das Artwork des Covers zusammen: „SILLY ist für uns wie ein Haus, an dem schon so einige Architekten und Bauherren gewerkelt haben. Ein Haus mit einer guten Bausubstanz, das wir stetig erweitert, modernisiert und erhalten haben. Ein buntes, freundliches und warmes Haus mit knarrendem Parkett, hellen Räumen und mit einer spannenden Geschichte, die die Wände atmen. Unser instandbesetztes Haus ist für uns ein Schmuckstück und ein Zuhause!“

Die Eröffnung eines großartigen, instandbesetzten Werkes wird mit einem adaptierten „Unter’m Asphalt“ („Mont Klamott“ von 1983) gestartet. Auch dieses Stück verliert in keiner Weise an Charme und Wert zum aufreibenden Original, indem die Unterdrückung nach Aufstand ruft. Es erinnert an den Löwenzahnspruch: „Das Schöne ist, dass selbst ein kleiner Löwenzahn eine Betonschicht aufbrechen kann, wenn er das Licht sucht.“

SILLYs Lieder waren bereits zu DDR-Zeiten systemkritisch. Daran änderte sich auch gegenwärtig nichts. Sie besitzen aber das Einfühlungsvermögen und eine Sprache, die damals wie heute, im zwischenzeiligen Kontext liegt, welche sie bewusst erwählt und kongenial umgesetzt haben. Denn im „Hamsterrad“ wird die Notwendigkeit nach Handlung in einem irren System demonstriert und das nachdrückliche Rufwort „Hallo!“ lenkt auf die vorhandenen Probleme ein.

Aus ihrem sechsten Studioalbum „Hurensöhne“ von 1993 wurde der Hit „Bye Bye“ auserkoren, ein neues Kleid zu tragen. Auch hierbei fehlt es an nichts. In diesem Abschiedslied ziehen die Vögel in den Süden, mit dem Versprechen zurückzuziehen, sobald die Wiesen blühen. Ein unvermeidliches Mitsingen ist garantiert.

Mit „Werden und Vergehen“ wurde ein Stück übers Kommen und Gehen, über den Wandel des Seins – und nicht zuletzt über den sehnlichen Wunsch nach einem Wiedersehen nach einer schwierigen Zeit, wie den zurückliegenden Monaten geschrieben. In diesem Lied ist das wahrhafte SILLY-Dasein fühlbar. Die miteinander verwobenen Harmonien der Herren und Damen brillieren zu einer grandiosen und gar zeitlosen Hymne.

Im Jahre 1989 erschien das Album „Februar“, welches „zweigleisig“ im Ost/West-Wagon via Amiga und BMG-Ariola mitfuhr. Doch nach wie vor erzeugt die Stimmung des auserwählten Stückes „Verlorene Kinder“ Tiefgang mit Gänsehautgefühl. Das Stück umschreibt die Perspektivlosigkeit im Ost-Berliner Plattenbau. Das Lied hat im Vergleich zur ursprünglichen Version weder an Schönheit noch an Qualität verloren. – Meine Hochachtung!

Im dritten und neuen Lied, welches „Lautes Schweigen“ aufgreift, werden erneut zeitgeschichtliche Themen eingefangen und philosophisch funktional abgesandt. Hierbei geht es darum, die Zeit wertvoll zu nutzen. „Sing dein Lied, das auf der Seele brennt. Sing hinein ins laute Schweigen.“

Mit dem krönenden Titelgeber und Abschluss wird mit dem letzten Stück aus SILLYs Musikgeschichte weiterhin ganz klar, dass AnNa R. und Julia Neigel für die Band ein Gewinn, ein Kuss, eine Umarmung und Freudentränen zugleich sind.  – Tiefe Trauer, auch nach über 25 Jahren, kann eine Voraussetzung für großes Glück sein. Auf dem Album „Instandbesetzt“ harmonisieren der Verlust und eine Schönheit, die unerträglich paradiesisch ist.


Foto: Friederike Goeckeler

SILLY – Tour 2021

27.10.2021 Berlin – Tempodrom

28.10.2021 Hamburg – Laeiszhalle

29.10.2021 Hannover – Theater am Aegi

04.11.2021 Stuttgart – Theaterhaus

05.11.2021 Köln – E-Werk

06.11.2021 Bremen – Metropol Theater

07.11.2021 Mainz – Kurfürstliches Schloss

12.11.2021 Erfurt – Thüringenhalle

13.11.2021 Magdeburg – AMO

18.11.2021 Chemnitz – Stadthalle

19.11.2021 Neubrandenburg – HKB

20.11.2021 Halle (Saale) – Händelhalle

25.11.2021 Dresden – Alter Schlachthof

26.11.2021 Leipzig – Haus Auensee


Wertvolle Links:

Homepage: www.SILLY.de

Instagram: www.instagram.com/Silly_official