Seit ihrer Gründung im Jahr 2008 stehen Black Nail Cabaret für eine ganz eigene Form des Dark Pop – sinnlich, stilisiert und stets voller klanglicher Tiefe. Das ungarische Duo, bestehend aus Emese Arvai-Illes (Vocals) und Krisztian Arvai (Keys), verbindet elektronische Melancholie mit einer visuell dramatischen Ästhetik.
Das sechste Studioalbum entfaltet eine magnetische Kraft, die nicht loslässt. Die Augen verweilen auf dem Cover, die Ohren verharren in gespannter Stille – bis die Nadel das Vinyl berührt und der erste Ton sich wie ein dunkler Schleier über den Raum legt. „My Home Is Empty“ entfaltet auch live eine fragile Schönheit, die unter die Haut geht. Der Song erzählt von einem inneren Kampf mit Dämonen, von einer zerstörerischen Kraft, die droht, das Selbst zu zersetzen. Die Leere des „Zuhauses“ steht sinnbildlich für den Verlust von Schutz und Geborgenheit. Und doch: Inmitten dieser Dunkelheit ringt sie um Selbstbestimmung, setzt Grenzen – ein leiser, aber entschlossener Akt der Selbstbehauptung.
„Totem and Taboo“ ist eine Anspielung auf Freuds Werk über Religion, Tabus und das Unterbewusste. Der Titel deutet an, dass wir uns mit den Ursprüngen unserer Ängste auseinandersetzen müssen, um Heilung zu erfahren. Das poetische Manifest bewegt sich im Kampf und Hoffnung auf Liebe und Schönheit, selbst im Hässlichen.
Ein eindringliches „1mg“ deutet mit folgenden Fragen auf persönliche Überforderung hin: „Was stimmt nicht mit mir? Was stimmt nicht mit der Welt?“ Hierbei beschreibt der Songtext von der Erfahrung aus Angststörungen mit dem Gedanken, dass sie irgendwann einmal, wie Wolken vorüberziehen werden. Die kurzzeitige Stabilität und Klarheit entgleiten durch das Gefühl nie im Gleichgewicht zu sein. Daraufhin schluckt man zwischen Fremdheit und Ohnmacht Tabletten, während die Zeit vergeht.
Die Fokussingle „Darkness is a Friend“ ist ein klangliches Manifest für das Akzeptieren innerer Schatten – ein musikalisches Gebet für jene, die im Dunkeln leuchten. Das von Emese Árvai-Illés selbst inszenierte Musikvideo verstärkt die Wirkung des Songs mit surrealen Bildwelten, maskenhaften Gesten und einer Ästhetik, die zwischen Traumsequenz und ritueller Performance schwebt. Die Lyrics kreisen um die Idee, dass Dunkelheit nicht nur Bedrohung ist, sondern auch Vertraute – ein Raum, der sieht, hört und hält. Der Song entfaltet sowohl eine tanzbare als auch eine tranceartige Atmosphäre, in der Schmerz und Schönheit nebeneinander existieren dürfen.
Den Abschluss bildet „The Faceless Boy“ – eine Figur wie ein Schatten, eine stille Manifestation von Angst, Unsicherheit und verdrängten Anteilen. Er erscheint dort, wo die innere Verankerung bröckelt, wo Präsenz sich verliert. Die Lyrik kreist nicht um eine Geschichte, sondern um einen Zustand: das Ringen mit sich selbst, der Sehnsucht nach Verbindung und der gleichzeitigen Furcht vor Auflösung.
Mit „Chrysanthemum“ gelingt Black Nail Cabaret ein Werk von seltener Tiefe und künstlerischer Konsequenz. Zwischen elektronischer Melancholie, poetischer Dunkelheit und performativer Kraft entfaltet das ungarische Duo ein Album, das nicht nur gehört, sondern erlebt werden will.
Jeder Song ist ein Fragment innerer Landschaften, die von Angst, Sehnsucht, Selbstbehauptung und zarter Hoffnung durchzogen sind. Die visuelle Ästhetik, das durchdachte Storytelling und die eindringliche Bühnenpräsenz machen „Chrysanthemum“ zu einem Gesamtkunstwerk, das zwischen Traum und Trauma oszilliert. Dies ist Musik für jene, die bereit sind, sich der Dunkelheit zu stellen und darin Schönheit finden wollen.
Wie bereits auf dem Stella Nomine Festival in Torgau (2025) bewiesen sie, dass ihre Shows mehr als Konzerte sind – sie sind Performances zwischen Theater und Unterwelt. Ein atemberaubendes Outfit und Make-up sowie expressive Gesten der Sängerin und eine unvergessliche Präsenz des Duos machen jeden Auftritt zu einem Gesamtkunstwerk. Mit musikalischem Feingefühl und atmosphärischer Stärke erschaffen Black Nail Cabaret Songs, die unter die Haut gehen – und dortbleiben.
***Meine Vinyl: Black mit Inlay. Auf dem Stella Nomine waren die Alben von Black Nail Cabaret rasch vergriffen. Das Cover von „Chrysanthemum“ ließ mich nicht los. Mein guter Freund DJ Alex hatte ein Exemplar ergattert und ich durfte es in den Händen halten – ein Moment, der sich festsetzte. Auch der Song „My Home Is Empty“ ließ mich nicht los. Zwischen Wahnsinn und Verzweiflung bestellte ich das Album kurzerhand online. Und ich gratulierte via Instagram der Band von Herzen. Was könnte schöner sein für eine Band als genau das?
Wertvolle Links:
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