Interviews Female-Fronted

Interview: Gebrüder Manns

Die Gebrüder Manns sind eine All-Female-Riot-Band aus Göttingen/Berlin, die schwer was draufhaben. Ihre Musik ist energiegeladen und straight in your face. Über diese All-Female-Band wollte ich doch ein wenig mehr in Erfahrung bringen, da sie nach langer Abstinenz auf die begehrten Bretter zurückgekehrt sind…

***

  • Welcher Ruf führte euch dazu, dass ihr nach klitzekleiner Abstinenz, von Cup C als die Gebrüder Manns wieder ins Band-Zuhause fandet?

Wir wurden im Herbst 2016 gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, bei einem Göttinger Revival-Konzert „Summer of 96“ mitzumachen. Dies war der Anlass, sich nach 20 Jahren wiederzusehen und zu proben, noch in der alten Besetzung. Und…. Es machte Spaß!!! Mit Drummerin Sabine aus Berlin arbeiten wir seit 2018 zusammen.

  • Und warum eigentlich Gebrüder Manns? Welche Herkunft trägt der Bandname? Wahrscheinlich nicht durch die aufbäumenden Gebrüder Thomas und Heinrich Mann, die in einer wohlhabenden, angesehenen Familie aufwuchsen. – oder doch?

Karin: Einst gab es in Berlin-Charlottenburg ein Lebensmittelgeschäft mit selbigem Namen. Nichts ahnend kam ich dort vorbei, las den Schriftzug und die Idee drängte sich auf. Immerhin heißt unsere Bandgründerin hinten Manns und eine Bruderschaft ist ja eine handfeste Sache.

Marie: Es sollte ein deutscher Name sein. Und eine ironische Anspielung auf eine noch immer von Männern dominierte Szene. Unsere wunderbare Gitarristin Annika heißt ja mit Nachnamen Manns. Und wir sind ihre Gebrüderinnen. 😀

Sabine: Der Name sollte auch einen Neustart der Band symbolisieren.

  • Wie war die Zeit ohneeinander, ohne Musik, ohne gemeinsames Jammen?

Karin: Sie verging und man merkte eigentlich gar nicht so genau was fehlte…

Marie: Eindeutig um einiges ärmer!

Annika: Wir haben einen langen schmerzhaften Abschied gehabt: Marie hatte damals beruflich Göttingen verlassen und ist nach Hamburg auf zu neuen Ufern. Lange lange haben wir einen Ersatz am Gesang gesucht und teils einfach nur so weiter gejammt. Als dann Karin nach Berlin ist und ich auch langsam mal ans Arbeiten denken musste, war dann erstmal Schluss mit Musik und der Band. Die Liebe zur harten Musik ist aber immer geblieben. Man war auf Konzerten und hat das Ganze von vor der Bühne genossen.

Sabine: Ich mache seit den 80ern Musik in Bands und habe nie damit aufgehört 😉 Eigentlich komme ich aus dem Ruhrgebiet, aus Herne, bin aber 1987 nach Berlin gezogen. So um 1997 habe ich u.a. bei der Band „Shred“ gespielt, vier Frauen und ein härterer Crossover-Sound. Von damals „Cup C“ wusste ich aber nichts 🙂

  • Ihr seid, wie ich, erwerbstätig. Wie findet ihr trotz Familienleben, Arbeitsstelle und Alltag Zeit für eure Vision, die ebenfalls zeitintensiv ist, wie mein Seelen-Portal.

Karin: Wir leben Banddasein im Block. Von Zeit zu Zeit nehmen wir uns ein Wochenende frei und treffen uns quasi zum Rund um die Uhr proben.

Marie, Annika: Wir planen unser Leben so, dass Zeit für die Band bleibt.

Sabine: Da Karin auch in Berlin wohnt, treffen wir uns öfter im Proberaum und spielen das Set durch oder üben neue Songs ein. Mein Job lässt mir genügend Freiraum (und viele Urlaubstage), und ich habe keine Kinder 🙂

  • Und was sagt eigentlich euer Kindersegen dazu, dass ihr eine „Riot“-Band seid?

Karin: Vorhandene Kinder finden’s cool.

Marie: Nur Annika hat Kinder, zwei wilde, wunderbare Mädels.

Annika: Meine Kinder habe ich selbstverständlich schon im Mutterleib musikalisch konditioniert. Sie standen bei unserem Revival-Konzert mit Hörschutz ausgestattet in der ersten Reihe und sind seitdem Fans. Inzwischen schleppen sie auch ihre Freundinnen mit zu unseren Gigs, wenn wir in Göttingen und Umgebung auftreten. Privat hören sie ganz andere Musik – aber das ist auch ein Phänomen bei uns, was Leute nach Konzerten immer wieder sagen: „Eigentlich ist das gar nicht meine Musik, aber ihr seid einfach eine so krasse Inspiration und transportiert so viel Power auf der Bühne. Geil!“

  • Göttingen vs. Berlin – Da liegen 335 km und knappe 4h dazwischen? Wie kann das so gut funktionieren?

Karin: Nur durch unser Blockdasein, mal in Göttingen, mal in Berlin.

Marie: 420 km von Schleswig aus. Aber hey, die Bahn macht’s möglich. Meistens…

Annika: Im letzten Jahr haben wir kaum geprobt, weil wir fast nach jedem Gig Folgegigs bekommen haben. Wir waren echt viel unterwegs – über 20 Konzerte in 2023.

Sabine: Berlin-Göttingen geht mit der Bahn meistens relativ schnell, sind nur 2,5 Stunden. Neue Songs produziert Annika am Rechner vor und schickt dann Demos rum, damit wir die jeweiligen Parts vorbereiten und üben können. Natürlich haben wir auch eine Band-Chat-Gruppe 🙂

  • Gab es einen seltsamen/strangen Moment, als ihr gemeinsam unterwegs wart?

Karin:  Ja, jedes Mal nach dem Konzert die ausufernde Begeisterung des Publikums 😉 Vielleicht noch der nackte Mann im Nebenzimmer? Oder die Fahrt nach Bayern?

Annika: Eine der witzigsten Erlebnisse waren womöglich nicht ganz drogenfreien Fans auf einem großartigen Festival im Norden, die uns nach dem Gig immer wieder angefallen sind und uns ganz dringend umarmen mussten. Euphorie beschreibt nur unzulänglich, was man uns dabei immer wieder entgegenrief! 🙂

Sabine: Eigentlich passiert bei jedem Konzert irgendwas 🙂 Krass war’s im Januar in Hamburg im Logo, als Annika umgekippt ist mit ‘nem Typen, der auf einem Stuhl auf der Bühne saß während des Gigs! Ein Glück ist nichts passiert, aber ich habe erst gar nicht begriffen, was da los ist 🙂

  • Ich werd‘ kurz seltsam, bitte verzeiht: Wir wissen alle in welche einer sch*** Zeit wir leben, wie wir indirekt ausgebeutet werden. Erst die Still-Silent-Pest ohne Kunst und Kultur, der Krieg, das politische Desaster. Was macht das mit euch? Spiegeln aktuelle Situationen in eurer Musik sowie in eurem privaten Lebensbereich eine Rolle?

Marie: Gerade deswegen ist es wichtig, sich immer wieder gerade zu machen. Man spürt, wie sehr alle nach positiver Energie lechzen. Während der Corona-Zeit wurden wir natürlich auch ausgebremst. Nichtsdestotrotz konnten wir an unserer Musik weiterarbeiten, Studioaufnahmen machen, Videos produzieren.

Ich habe während dieser Zeit gelernt, was mir wichtig ist, bzw. was ich echt nicht mehr brauche. In den Texten versuche ich, unsere Einstellung zu Freiheit, politischem und feministischem Bewusstsein, Lebensfreude und Kampfeslust zu vermitteln.

Annika: In den Lyrics nehmen wir immer wieder aktuelle Politik mit auf. „Take This Back“ handelt von den allseits bekannten alten weißen Männern, die unserer Meinung nach nicht mehr die Geschicke der Welt steuern sollen, „Different Voices“ entstand, nachdem ein Musiker, den ich gerade kennengelernt hatte, wahnsinnig rumgeeiert hat, bevor er mir sagen konnte, dass er schwul ist. Mich hat das so geschockt, dass es immer noch nicht möglich ist, das in unserer Gesellschaft offen zu leben, dass ich am selben Abend noch einen Song darüber angefangen habe. Mit unseren Songs, mit einem Publikum gemeinsam Energie und Kampfeslust auf positive Art entstehen lassen zu können, das gehört zu den Dingen, die uns immer wieder dankbar machen.

Sabine: Als ich aufgewachsen bin (in den 70/80ern), war es auch nicht besser: Ölkrise, immer noch kalter Krieg, saurer Regen, RAF, AIDS, Tschernobyl, Endzeitstimmung. Fast jeder hat damals in na Deutsch-Punk-Band gespielt, mit systemkritischen Texten. Musik war auch immer schon politisch.

  • Wenn ihr die Musik von Cup C (Ich habe im Netz leider nichts gefunden) und diese mit Gebrüder Manns zusammengefügt, dann käme ein Album heraus. Ist an sich etwas in Planung? Eine CD fürs Auto oder eine Vinyl für zuhause oder beides?

Wir spielen live einige Songs, die damals entstanden sind, allerdings neu interpretiert werden. Ihr findet auch ältere Songs auf gebruedermanns.bandcamp.com.

Demnächst kommt ein neues Video raus, ein Album ist erstmal nicht in Planung.

Vinyl wäre toll, ist aber momentan finanziell nicht machbar.

 

***Vielen lieben Dank für das Interview 


Wertvolle Links:

 

there is even more