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The Cranberries – In the End
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The Cranberries – In the End

Einst saßen vier Musiker auf einem Sofa. Nur, darauf sitzt auch keiner mehr. Es existiert kein Sofa mehr. Es ist verschwunden – für immer! Genauso wie die Band, die einst auf dem Sofa saß – The Cranberries. Alles was bleibt, ist die Musik.

Das Cover des achten und letzten Albums „In the End“ zeigt die Ruine eines zerbrochenen Hauses mit dem originalen Logo der unwiederbringlichen Band. Vier Kinder sind im Vordergrund, die die Band mimen. Die vier Kinder sind verwandt mit den Cranberries und das Front-Mädchen, welches das Cover ziert, ist die Nichte einer Tochter von Dolores O` Riordan.

Dolores O` Riordan war die Frontfrau der Cranberries, die mit dem Überhit „Zombie“ weltweiten Erfolg feierten. An einem dritten Montag im Januar 2018, dem depressivsten Tag im Jahr, verstarb die Sängerin. Dolores war zuvor noch voller Zuversicht über ein neues Album und ging dann… baden… Sie starb in der Hotel-Badewanne unter medikativem Einfluss mit 3,3‰ Alkohol im Blut. Sie litt an Depressionen, ihrer Alkoholsucht, der bipolaren affektiven Störung. Es war dennoch ein Unfall.

Ihre Stimme sowie die Musik durchbrachen damals in den 90ern nicht nur die Charts, sondern auch Haut, Mark und Knochen eines fast Jeden. Nach einer gewissen Zeit mit Abstand zum Schicksalsschlag überlegten die drei Cranberries-Witwer, wie sie der Frontfrau ein letztes Vermächtnis zuerkennen konnten. Sie nahmen die 2017er Demo-Aufnahmen, die eigentlich im Frühjahr mit Dolores gefestigt werden sollten, um daraus einen Nachlass zu produzieren. Dieser Nachlass wurde zu einem Geschenk – mit Original-Aufnahmen der repräsentativen Stimme einer Frau, die gerade in diesem Werk nicht präsenter sein konnte. Dolores sticht heraus und gerade das sticht ins Herz.

„In the End“ ist ein sehr emotionales Album mit einem dahinterstehenden emotionalen Prozess. Es ist auch schwer, ein Album zu produzieren, wenn die Hauptperson fehlt. Sie wollten das zu Ende bringen, was einst mit Optimismus begann, mit dem bitteren Wissen, dass dies die letzte Session sein wird. Und mit der traurigen Tatsache, dass sie mit diesem Album nie auf Tour gehen werden.

Die drei verbliebenen Rock-Musiker hielten sich mit ihren Kompositionen des Albums im Hintergrund. Dolores ist der helle Schein der Elemente. Die von Dolores geschriebene Lyrik ist gedrückt, nahezu depressiv. Als Background-Sängerin und zur Unterstützung der liebevollen Aufnahmen wurde Joanna Cranitch engagiert, die die vorhandenen Demo-Aufnahmen von Dolores stützt. Die engagierten Gaststreicher werten das expressiv-rockige Album auf. Der Sound wirkt dennoch wie ein Wolkenaufbruch, ganz im Sinne von Dolores. Melancholische Rock-Magie von Anbeginn bis Ende. Ein Vermächtnis sowie ein Geschenk vom und zum Firmament.

Fazit: Das Album auseinander zu nehmen wäre fehl am Platz, da dieses Werk einfach nur gespielt werden sollte, ohne Kritik daran zu üben, da es so schon sehr schwer ist. Und das zeigen die drei verbliebenen Musiker im Ausdruck ihrer Zusammenstellungen mit dem, was ihnen von Dolores übriggeblieben ist. Der Kummer und das Ende einer Ära ist musikalisch schmerzlich spürbar. Für mich ist das Album vollkommen!

(Dolores hatte es nicht leicht. In ihren Liedern lebte sie das aus und genau das war es, was ich brauchte. Dieses Album schmerzt zur Hölle und ich wollte es nicht hören, da es ein endgültiger Abschied ist, was ich nicht wahrhaben wollte. Als ich von ihrem Tod erfuhr, musste ich mich setzen. Ich befand mich auf Arbeit. Im Radio hörte ich nur noch „Zombie“. In diesem Moment war ich ein Zombie, aber ein funktionierender. Es tat weh – so unglaublich weh. Ich erinnerte mich, wie ich damals mit einem „Bravo“-Poster zum Friseur ging und der Frisörin sagte, dass ich genauso eine Frisur haben wollte. Dolores hatte damals sehr kurzes Haar. Sie inspirierte mich. Sie gab mir Kraft, obwohl sie selbst krank war. Die Frau, die mich geboren hat, zerbrach damals meine gekaufte Cranberries -CD, die ich mir mühsam zusammengespart hatte. Das zerbrach mich, aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass Dolores mir die Hand reichte. Mit (ihrer) Musik im Ohr stand ich alles durch. „Wake Me When It’s Over“ mag ich von diesem Album besonders. Es ist sehr ehrlich, passend und nackt. In meinem Kopf ertönt ständig „Dreams“, mein Lieblingslied. Gleichzeitig „Ode To My Family“, aber kein „Zombie“, doch im Hintergrund läuft das Album „In the End“. Danke Dolores für alles! Sowie Danke an Noel, Mike und Fergal für dieses Vermächtnis!