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Aasma – Daydreams
6
Nordic Diamonds Reviews

Aasma – Daydreams

„Welcome to the deep forest, the still water calling you home, the evening mist.”

„Willkommen im tiefen Wald, das stille Wasser, das dich nach Hause ruft, ist der Abendnebel.“

Allein diese Zeile beschreibt den Stil des Albums hervorragend in einem Satz, auch, was es widerspiegelt. „Daydreams“ erscheint im Dream-Pop Gewand, das dich einhüllt und träumen lässt, sobald die ersten Klänge ertönen, die klopfend ein phantastisches Album eröffnen.

„Daydreams“ lässt die in sich verankerte Retrospektive aufleben und Bilder vor dem geistigen Auge abspielen. Und wer sich noch an das sechste Studioalbum „The Sensual World“ der englischen Sängerin und Komponistin Kate Bush erinnert, wird sich in „Daydreams“ verlieben. „Mirage“ ist ein solches Lied, welches dich ebenfalls durch eine virtuelle Sphäre wandeln lässt. Die Indie-Ballade erzählt darüber, wie andere auf ein Podest gestellt werden, aber Risse entstehen, sobald der Zauber verblasst. Mit ihrer Musik darf die Imagination ausfliegen, die durch ihren Sound sowie den vereinzelten Riff-Kombinationen geweckt werden, die im trauten Heim wieder ankommen, sobald das gehörte Stück endet.

Die charakteristischen Uilleann Pipes kommen in „Daydreams“ mondän zur Geltung und lassen den Tagtraum wie einen Adler aufsteigen, der das Land von oben beobachtet. Das Motiv meines visuellen Gedankenflugs beschlich mich durch Aasmas Herkunft. Denn sie ist in einem Haus tief in den Wäldern Schwedens aufgewachsen, und seit jeher ist ihr größtes Lebenselixier die Natur sowie die Mystik. Auch verbrachte sie die meiste Zeit ihrer Kindheit draußen an der frischen Luft. Entweder am Fluss, am Meer oder in den Bergen, all das hat schöpferisch geprägt, dass sie zu der Künstlerin wurde, die sie ausmacht.

Von ihren estnischen Wurzeln hat sie die Kultur des Chorsingens geerbt, und von ihrer Familie, die Mitglieder einer Perkussionsgruppe war, entdeckte sie recht früh ein feines Gespür für Rhythmen. Umso mehr bevorzugte sie Geschichten aus einer dunkel schimmernden Traumwelt. Damit bringt sie die Hörer:innen zu den Ozeanen und Wäldern, Wiesen und Feldern, Berge und Täler, auch zu den Straßen mit ihren Bars, und natürlich auch wieder zurück, ins eigene Heim.

Als autodidaktische Musikproduzentin verbrachte sie sehr viel Zeit in den Studiokellern von Stockholm. Dort wurde sie zu einer umschlungenen Einheit mit einem Casio-Synthesizer, Streichquartetten, Chören und Kästen voller Windspiele, die sie als musikalische Wiedergabe zusammenfügte. Folglich erblühte eine spielerische Balance zwischen Art-Pop und Klangkunst, Live-Instrumenten und Drum Machines auf. Aasma kreierte mit „Daydreams“ eine musikalische Kaskade, die einen verzaubert, wie ein unvergesslicher Moment.

Ihr Debüt wird mit der Singleauskopplung „Canoes“ eröffnet. Es erzählt die Geschichte von einer Flussfahrt mit einem Freund, der gebrochenen Herzens ist. Sie wollte, dass der Song und seine Produktion wie die Wurzeln der Mangrovenbäume, der Sternenhimmel, der nächtliche Nebel, das rhythmische Paddeln im stillen Morgenwasser klingen. Was sie auch erreichte!

In „Hurricane“ wurde ein großes Spannungsfeld durch wirbelnden Drums aufgebaut, die den Hurrikan sinngemäß erzeugen. Zusammen mit Saxophon-Linien und einem Gitarrensolo reicht der Song an ein Universum heran, der mit Synthie-Bässen die dunklen Farben am Horizont malt. Die trippige Präriehymne erzählt von einer Liebe, die nur für eine Sekunde in dein Leben tritt und genauso schnell wieder verschwindet. „Hurricane“ ist ein Song, der von Präriewinden, schiefen Gitarren, explodierenden Drums, einem Saxophonsolo und mit singenden Chören umworben wird.

„Beach“ ist die Geschichte einer Begegnung im Sand unter der Wintersonne am zugefrorenen Meer. Der Song erzählt von einem Freiheitsgefühl, dazu einfach ein Geschöpf zu sein, welches zu den Felsen und den Bäumen gehört. Dies war auch das erste Demo, das später zu einem Album führte und den dazugehörigen Sound bestimmte, der sie und letztendlich die Hörer:innen in eine markante Klangwelt führt.

„All Eyes On You“ ist eine cineastische Hymne der völligen Freiheit von Angst. In dem dazugehörigen, noch unveröffentlicheten, Video forciert eine unerreichbare, rücksichtslose und freie Reiterindie Wildnis und lässt alles hinter sich. Die Reiterin besitzt ihre eigene Wahrheit und kann überall hingehen, wohin sie möchte. Eine parallele Figur – ein Teil des inneren Geistes der Reiterin – taucht aus dem Wasser auf, bereit, sie in der Freiheit willkommen zu heißen. Die Inspiration zu den Lyrics für „All Eyes On You“ überkam Aasma eines Nachts, als sie durch die leeren Straßen ihrer Heimatstadt ging. Es war eine Situation, in der sie sich unwohl fühlte. Um die gereizten Nerven zu beruhigen, setzte sie ihre Kopfhörer auf und schaltete das „All Eyes On You” Demo ein, welches sie auf ihrem Telefon hatte und setzte ihren Weg durch die Dunkelheit fort, ohne eine weitere beklemmende Angst im Nacken zu spüren.

Sie selbst erzählt über Debüt: „Ich glaube, ich bin vor allem dadurch beeinflusst worden, dass ich in der letzten Pandemiezeit mehr draußen war, beim Wandern, Laufen und Segeln. Ich habe so viel mehr Kontakt zu dieser natürlichen Seite von mir, die eine Zeit lang versteckt oder verloren war, aber jetzt wieder hervorbrechen kann. Ich habe gerade – während ich dies schreibe – den höchsten Berg Schwedens erklommen und dabei festgestellt, dass diese Art der Verbindung mit unserem Ursprung etwas ganz Einzigartiges ist und entscheidend dazu beiträgt, dass wir uns als ein kleiner Teil des Universums fühlen, der doch nicht so wichtig ist. Das ist das beruhigende und magischste Gefühl, das es gibt. Zu beobachten, wie sich das Wetter irgendwo in der Ferne verändert, wie die Gletscher und die Sonne durch die Wolken fließen.“

„Daydreams“ wird durch schwebende Klänge und ihrer glitzernden Stimme bedeckt. Gitarren werden zu Glühwürmchen, Melodien zu Bäumen und ihre Stimme ist der alles durchfließende Fluss. Es spricht auch für Selbstverantwortung und Selbstbestimmung, Kraft und Selbstwert, das man sich selbst schenken sollte.


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