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Anika Jankowski – Heroine im Musikbusiness
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Diamond Diversity Interviews Portrait

Anika Jankowski – Heroine im Musikbusiness

Anika Jankowski ist Verlagschefin, Beraterin, Speakerin, Netzwerkerin, Aktivistin, Referentin, Organisatorin, Veranstalterin, Produktionsleiterin, Dozentin, Local Heroine of Dresden sowie gänzliche Musikfanatikerin und Mutter zweier Söhne. Ihr Herz schlägt für zahlreiche innovative Initiativen und Projekte. Doch am meisten brennt sie als Netzwerkerin und Wegbegleiterin für Künstler:innen tätig zu sein.

Als studierte Kulturmanagerin sowie Musikmanagerin weiß sie ihr Wissen einzusetzen. Demzufolge ist sie Chefin des Musikverlages „Oh, My Music!“, dazu Mitbegründerin von „Music S Women“, einem sächsischen Netzwerk für Frauen, welches das Fachgebiet Musik beinhaltet und um mehr Sichtbarkeit und Chancengleichheit für Musikerfrauen kämpft. Als Aufsichtsrätin der Musik agiert sie beim Branchenverband von „Wir gestalten Dresden“. Außerdem veranstaltet sie Konzerte in der Agentur „Sunset Mission Konzerte“. Und nebenbei schreibt sie mit ihren Schützlingen Songs in den selbst organisierten und kulturgeförderten Singer-Songwritercamps, wo sie ebenfalls im Gesang sowie im Songwriting leidenschaftlich aktiv ist.

Stillstand und Langweile scheinen Fremdwörter ihres Wortschatzes zu sein. Ich habe Anika Jankowski auf dem Waldheimer Kulturfest am Oberwerder kennenlernen dürfen. Dort gaben die Teilnehmer:innen des 20. Künstlersymposium „Kunst am Wasser“ an der Talsperre ihre neu komponierte Musik auf der Bühne zum Besten. Die künstlerische Leitung dazu übernahm Anika Jankowski.

Auffallend empfand ich ihren Support, unter anderem, wenn ihre „Schäfchen“ die Lieder präsentierten, die diese im Kreativcamp geschrieben haben. Ebenso ihre mitreißende wie auch (mit-)wirkende Leidenschaft. Ihre Freude Künstler:innen euphorisch beizustehen, kann ich nur begrüßen, denn da sind wir eins.

  • Hallo Anika, ab wann führte dich der Ruf in der Musik aktiv zu sein?

Schon sehr früh. Seit ich denken kann musiziere ich und mit 17 begann ich Konzerte zu organisieren.

  • Woher beziehst du deine Stärke, in all deinem Wirken in deiner Leidenschaft deine unbändige Position zu realisieren?

Ich ziehe sehr viel Kraft aus der Zusammenarbeit mit meinen Musiker:innen. Sie inspirieren mich. Sie wachsen zu sehen und zu wissen, dass ich sie bei ihren Weg unterstütze, gibt mir ein Gefühl der Wirksamkeit.

Bei den Live-Shows liebe ich dann den Moment, wenn die Zuschauer:innen und die Musiker:innen miteinander verbunden sind und die Zeit still zu stehen scheint. Einfach magisch.

  • Zu all deinen Tätigkeiten, für welche brennst du wie Feuer?

ALLE! Ich tue nur das, wofür ich brenne – außer vielleicht für meine Buchhaltung 😉

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„Anika ist eine echte Superwoman und Ehrenfrau. Sie ist eine beeindruckende Unternehmerin, die weiß, was sie tut, und ist bei allem mit Herzblut dabei. Ich bewundere sie sehr für ihre unglaubliche Power und wie sie es schafft, Geschäft und Herz perfekt auszubalancieren. Ich bin sehr dankbar dafür, eine Frau wie Anika an meiner Seite zu haben! Aber dankbar bin ich eigentlich auch für ihre Gelassenheit und Coolness. (Ach verdammt, dieser Frau ist mit wenigen Worten einfach nicht gerecht zu werden!)“ – Annemaríe Reynis

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Foto: Female Voices (Anika und Annemaríe Reynis)
  • Wie „hart“ bist du hinter den Kulissen? Als ich dich ein klein wenig beobachtete, wirktest du auf mich, als wäre deine Leichtigkeit dein kultivierter Persönlichkeitsfaktor.

Ich bin überhaupt nicht hart. Auch habe ich lange gebraucht, meinen eigenen Weg und – wenn du so willst – Führungsstil zu finden. Dabei gehören militant oder hart nicht dazu. Ich bin aber klar und transparent in meiner Sprache und in meinem Auftreten. Bei mir weißt du woran du bist. Ich lege bei Verhandlungen die Karten auf den Tisch, denn ich mag gute und faire Kompromisse.

  • Gibt es für dich eine Verletzlichkeit, die du eventuell nicht ausblenden kannst? Zumal du eine ehrgeizige Frau bist und in maskuliner Konkurrenz stehst.

Ich bin manchmal nicht so schlagfertig, wie ich es gern wäre. Eine von den Jungs zu sein, ist ein Habitus den ich schon als Teenie hatte, deshalb komme ich mit so „Buddy Business“ echt gut klar. Weiß aber auch, dass einige dabei auf der Strecke bleiben. Deshalb wünsche ich mir zukünftig einen anderen Umgangston miteinander: respektvoll und eher auf zuhören als auf senden basierend.

  • Was hast du als Chefin für dich selbst gelernt, bist über dich hinaus gewachsen und darüber hinaus sehr dankbar?

Ich bin als Mutter zweier Söhne sehr oft über meine Grenzen gegangen. Habe mich physisch und psychisch über meine Vorstellungskraft hinaus strapaziert. Das Gelernte konnte ich sehr gut mit in mein Berufsleben einbringen. Es hat mich ausdauernder und gelassener gemacht. Ich weiß jetzt, wie sich existenzielle Krisen anfühlen. Ich zweifle nicht mehr an meinen Fähigkeiten und höre auf meine Intuition.

  • Du bist in Woman S Music aktiv und steuerst u.a. gegen zu viel Männerlastigkeit auf Festivals, im Radio etc…an. Somit kommt jetzt meine liebste Thematik: Frauen im Musikbusiness. Die Sichtbarkeit der Frau im Musikbusiness ist für Dich ein großes Thema, welches auch kontrovers und heiß diskutiert wird. Frauenpower/Empowerment ist „in Mode“ gekommen. Ich möchte gerne dein Erleben, deine persönliche Wahrnehmung, deine Stellung dazu wissen wollen.

Ich glaube fest an Diversität. Ich bin überzeugt, dass eine Gemeinschaft, eine Gesellschaft stärker, resilienter, fairer, krisensicherer und einfach besser ist, wenn sie divers ist. Welche Monokultur wir eigentlich pflegen und welche Benachteiligung aus ihr erwächst, war mir lange gar nicht  bewusst.

Wie bereits geschrieben, fühlte ich mich im „Buddy Business“ wohl, gehörte irgendwie dazu und stellte deshalb auch nicht das System in Frage. Ganz nach dem Motto „Ich habe es ja auch in den inneren Kreis geschafft, dann kann das jede* andere auch“. Es ist wirklich völliger Bullshit, den eigenen Habitus auf den der anderen zu projizieren. Es gibt genügend Menschen, die in diesem System systematisch ausgegrenzt und marginalisiert werden – ohne eine Chance von Teilhabe.

Mit meiner zweiten Schwangerschaft ist mir das wie Schuppen von den Augen gefallen. Denn mit zwei kleinen Kindern zu Hause, ist es eben nicht mehr alles Rock´n´Roll. Ich wurde von meiner Familie, meinem Umfeld und meiner Arbeit mit Rollenbildern konfrontiert, die ich längt tot geglaubt habe. Bzw. musste ich feststellen, dass es auf Arbeit gar keine Rollenbilder gab. Es fehlte mir an Vorbildern, für Selbstständigkeit und Vereinbarkeit von Familie, für das Füllen von Vorstandsposten und für weibliche Führungsstile. Wenn die Fassade dann einmal bröckelt, erkennst du die Fehler im System an so vielen Stellen. Ich finde es gut, dass Frauen Empowerment gerade „In“ ist.

Manchmal beschäftige ich mich mit feministischer Lektüre aus den 70gern und denke: Wow, es sind genau die gleichen Themen  –  sind wir überhaupt vorangekommen? Aber Veränderung ist keine steile Aufwärtskurve, sie kommt in Wellen und ich werde meinen Teil dazu beitragen die aktuelle Welle zu reiten.

Foto: Female Voices (Emely Hedel, Anika Jankowski, Annemaríe Reynis)
  • Ich habe zwei Schlagwörter in meiner Seele verankert: Protect & Support! Welche beiden Schlagwörter treffen genau mit deiner Seele überein?

Support stimmt auf jeden Fall auch mit meinem Schlagwort überein. Ich liebe es Teil einer Gemeinschaft, meiner #ommunity zu sein, deren Kernpfeiler der Zusammenarbeit eben der gegenseitige Support ist. Ich liebe den Spruch „we raise by lifting others“, mal grob übersetzt „Wir steigen höher, wenn wir andere unterstützen“.

Mein zweites Schlagwort ist Mut. Mut bedeutet ja nicht, keine Angst zu haben, sondern seine Ängste zu überwinden. Und dieses Gefühl von einen Schritt weiterzugehen,  sich zu trauen, finde ich wunderbar, berauschend und empowernd. Ich renn lieber mal völlig überzeugt gegen eine Wand, als gar nicht erst loszugehen.

  • Ich wurde schon von Künstlerinnen gekränkt. Das machte auch etwas mit mir; es ärgerte mich, es lähmte mich, dann kam die Mauer auf mich zu, die ich erstmal mit einem Schlaghammer wieder zum Einstürzen bringen musste. Wenn man liebt, wird man verletzlich. Wie schützt du dich und deine Schützlinge, wenn es einmal sehr mies läuft, und man alles hinschmeißen möchte?

Klaro, kenn ich das Gefühl. Wenn ich alles hinschmeißen möchte, treffe ich mich mit Menschen die mir gut tun.  Ich schreibe einen Song, höre laut Musik oder gehe zum Konzert –  und dann weiß ich wieder, wofür ich den ganzen Mist eigentlich mache.

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„Anika ist für mich Verbündete und Vorbild zugleich. Ich kann sie mit all meinen Fragen zum Musikgeschäft belagern, sie unterstützt mich bei meinen Ideen, schreibt mit mir Songs und trinkt mit mir Gin Tonic und Whisky. Und als wäre ein Verlag führen nicht genug, hat sie noch so viele andere Projekte am Laufen, dass ich manchmal glaube, ihre Tage sind länger als 24 Stunden. Aber am beeindruckendsten an ihr ist, dass sie sich wirklich für jede Art von Musik begeistern kann. Sie bangt zu Heavy Metal und weint bei Schnulzensongs. Sie findet einfach in jedem Song etwas Besonderes und auch in den Menschen, die sie spielen. Ich glaube deshalb macht sie ihren Job und das Tanzen auf so vielen verschiedenen Hochzeiten so unglaublich gut. Von ihr kann man echt ne Menge lernen.“ – Paula Peterssen

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  • Bei deinen vielen Jobs, wie schaut es mit deinem Zeitmanagement aus? Ohne ein Perfektes wärst du wahrscheinlich aufgeschmissen. Ich bewundere deine Vielfältigkeit, deinen Einsatz.

Mein Zeitmanagement ist krass. Ich hatte schon immer einen Faible dafür. Du musst dir vorstellen mein Büro liegt keine zwei Minuten zu Fuß von meiner Wohnung entfernt. Alles in meinem Arbeitsumfeld ist auf Effizienz und Effektivität getrimmt. Ich arbeite mit einem Bullet Journal, was ich allen nur sehr empfehlen kann, die sich mehr strukturieren wollen. Außerdem achte ich auf meine produktiven Phasen. Bei mir wirst du kaum einen Termin am Vormittag bekommen, weil ich da am konzentriertesten arbeiten kann. Wenn bei mir viel los ist, bin ich auch schon mal um 6.00 Uhr morgens am Rechner – für mich ist die Zeit bis um 9.00 Uhr eine echte Powerphase. Am Nachmittag kommen dann die Kinder an erster Stelle und 3-4 Mal in der Woche nehme ich einfach abends noch ein paar Termine wahr. That´s it 😉 Ich baue mir aber auch akribisch Pausen ein und versuche dem Hamsterrad des höher, schneller, weiter immer kritisch gegenüber zu stehen.

Foto: Female Voices
  • Wie wählst du für deinen Verlag „Oh, My Music!“ Künstler:innen aus? Welche Kriterien müssen sie erfüllen, um bei „Oh, My Music!“ angenommen zu werden.

Das ist eine Mischung aus: funktioniert die Musik im Live-Kontext, spielen die Leute mindestens 15 Shows im Jahr und verstehen sie sich als Musiker:innen. Also kann ich davon ausgehen, dass sie auch noch in zwei, fünf oder zwanzig Jahren Musik machen werden. Auch die Chemie muss stimmen. Ich arbeite nicht mit Leuten zusammen, die ich nicht mag.

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„Anika ist ein wunderbarer Mensch. Wir arbeiten seit Jahren zusammen und es ist immer wieder inspirierend.“ – I Want Poetry

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  • Bist Du auch ehrlich zu Musiker:innen? Wenn weder Musik noch Chemie stimmt, auch eine Zusammenarbeit abzulehnen?

Ich bin ehrlich zu meinem Musiker:innen, komme aber auch mit vielen unterschiedlichen Charakteren zurecht. Wenn es aber sinnlos kompliziert wird, bzw. die Kommunikation nicht stimmt, kommen wir nicht zusammen.

  • Haben für dich Followerzahlen einen Stellenwert? Ganz ehrlich, mich interessiert es nicht, denn mich interessiert die Musik der Musikerin, jenseits der Follower. Und ich bin sehr Insta-FB-faul geworden, da mich das vom Wesentlichen, der Musik, abhält und ich mich dadurch nicht abhängig machen möchte. Obwohl Sichtbarkeit sehr wichtig ist.

Ja, ich schaue auf die Zahl der Follower, aber das ist kein Ausschlusskriterium. Gute Musik und Ausdauer bzw. das Selbstverständnis Musiker:in zu sein, stehen an erster Stelle. Von Facebook hab ich mich auch distanziert und bin nun eher auf Instagram aktiv. Aber ich habe Enna als meine persönliche Social Media Expertin an meiner Seite, die Facebook für mich bespielt – thank god!

  • Ich würde als letzte Frage gerne deine drei liebsten Künstlerinnen wissen wollen, die du gerne hörst. Und ein Buch oder zwei oder drei, da ich eine leidenschaftliche Leserättin bin.

Musiker:innen: Ani DiFranco, Bon Iver, Beyonce (Lemonade Album!)

Bücher: Die Töchter Egalias (feministische Streitschrift), Mythos (griechische Mythologie und sehr unterhaltsam)

 

***Herzlichen Dank für das Interview! 


Foto: Anika Jankowski

Wertvolle Links:

  • Homepage von Oh, My Music: www.ohmymusic.de
  • Homepage von Sunset Mission: www.sunsetmission.de

 

Titelbild: Franz Kostall

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Ich bewundere aktive Frauen wie Anika Jankowski! – Female Voices

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