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Annemaríe Reynis – Not There Yet
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Annemaríe Reynis – Not There Yet

Sensible Themen und sanftmütige Klänge liegen in Annemaríe Reynis hingebungsvollen Händen, die sie mit ihrem gleißenden Leuchten ins musische Universum abzusenden weiß. Leider leben wir noch immer in einem verwirrenden Durcheinander aus Pandemie, Krieg und Krisen. Es ist ein Wechselspiel aus Atmen und Atemnot, mit der Sehnsucht nach Ruhe und Frieden sowie der Bewegung zu zunehmender Ordnung. Um den durcheinanderwirbelnden Splittern, die uns die Energien rauben, zu entkommen, begeben wir uns in unsere Geborgenheit, nehmen uns die Auszeit, die wir brauchen. –Wenn gar mit Bewusstseinserweiterung und gewollter Selbstauseinandersetzung. Und genau dann kommt die neue EP „Not There Yet“ in diesen Zeiten wie gerufen, zumal sie einen Hafen zum Ankommen bietet – oder zum Pausieren auf dem Wanderweg des eigenen Lebens.

Die Künstlerin setzte sich selbst mit der Frage auseinander, wohin sie gehen möchte und wie sie ihre Werte dabei im Blick behält. Demgemäß entdeckte sich Annemaríe Reynis auf ihrer EP „Not There Yet“ neu – und stellte fest, dass sie ihre eigenen inneren Fragen und die zum Leben nicht abschließend klären kann, sondern der Prozess der eigenen inneren Entwicklung ein Leben lang anhält.

Mit „Not There Yet“ nimmt die Musikerin ihre Hörer:innen mit auf einen Streifzug durch emotional gefärbte Klanglandschaften, in denen sich Melancholie, Hoffnung und Selbstheilung abwechseln. Die EP vermittelt die Gelassenheit, dass Veränderung ein Leben lang möglich ist und man ohne inneren Druck durchs Leben gehen darf, um eine zufriedenere Person zu werden. Alles ist im Prozess, alles verändert sich immer wieder, alles ist im Fluss. – So sollte es sein!

Die neue EP bewegt sich im Americana zu Indie-Pop hin und schließt die Melancholie in eine Reynis-Umarmung ein. Jeder Song besitzt einen eigenständigen Charakter. Kein Lied gleicht dem anderen. Die Songs sind sich selbst überlassen, wobei Annemaríe Reynis oft überrascht ist, wohin sich die Melodien bewegen und niederlegen.

Der Auftakt beginnt mit einem Tanz durch das Feuer, doch sind die Wolken auf einem Berg attraktiver. Denn „Closer To Me“ ist eine Bittstellung, um die Stille zu finden, für die Rückkehr zu sich selbst. In „Yours“ wird die Melodie wieder sanfter. Es ist ein liebevolles Lied, indem es um die tiefe Bindung zweier Menschen geht, die sich den Halt geben, den sie brauchen, um die Mauern einreißen zu können, die sich aufgebaut haben.

„Just A Friend“ ist eine Partner-in-Crime-Story, die vielmehr ohne Kompromisse stattfindet, trotz des Riss im Herzen.  Im sinnlichem und doch so schwerem „Not There Yet“ bluten die Füße, da das Wesen noch nicht weiß, wann es in der Paarbeziehung ankommt, ob es denn je in der geborgenen Zweisamkeit ankommen wird. Und der Bonus Song „Why, Mom“ beinhaltet ein sehr sensibles Thema, die Depression einer Mutter, aus der Sicht eines Kindes/Teenagers/Heranwachsenden. Dieses Stück ist keine leichte Kost.

Am Anfang war die Leere und Annemaríe Reynis weiß diese zu befüllen, wie einen Krug mit wertvollem Inhalt. Das Motto der EP versüßt bedächtig das Leben: Selbst, wenn es düster ist, die Musik bleibt. Und auch mit der EP „Not There Yet“ besteht ein Seelenstück von Annemaríe Reynis fort, welches sich lohnt gehört und geliebt zu werden.

***Und wieder einmal ist diese EP ist ein Geschenk!


Titelfoto: Stefanie Zúñiga Chongo

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