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Katja Krasavice – Die Bitch Bibel
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Diamond Diversity

Katja Krasavice – Die Bitch Bibel

Ich habe weder einen Beitrag über sie vollständig angesehen, noch ihre Musik erspäht oder ihre Videos angeschaut. Nicht einmal, während ich das Buch gelesen habe, hörte ich ihre Musik oder gab mich dessen wissbegierig hin. Es liegt daran, dass ich weder Hip Hop noch Rap höre. Diese beiden Genres ziehen völlig an mir vorbei, nicht einmal winken sie mir zu. Soll mir auch recht sein. Zudem bekomme ich davon Kopfschmerzen, Darmreizung, Whatever.

Von Katja Krasavice habe ich dementsprechend nur nebenbei etwas mitbekommen, habe den Rummel um sie herum beileibe nicht für vollwertig wahrgenommen. Es wurde über sie berichtet und diskutiert, was mich nicht interessierte. Keine Ahnung, wer sie ist, was sie macht. Mir egal! Ich habe nicht zugehört. Frauen ihres Wesens hegen auf mich keinen Reiz aus. Mit einem kurzen Stirnrunzeln war es dem auch abgetan. Sie gibt es, ich akzeptier es!

…dann kam „Die Bitch Bibel“…

Neben der Musik, lebe ich in einer Welt voller Bücher. Bücher sind für mich wiederum ein mir-immer-wieder-öffnender Zugang zu einer anderen Welt – zu Kopfkino.  Es ist eine Tür, die ich leicht öffnen kann, die mir nie verschlossen bleibt. Dahinter lese ich Altbewährtes, Fiktives oder biografisch Geschriebenes. Ich liebe Bücher, bin süchtig danach. Ungefähr so, wie laut des Buches, Katja Krasavice dem Sex verfallen ist. Ich finde, das ist ein guter Vergleich meines Suchtverhaltens.

Eines Tages winkte mir „Die Bitch Bibel“ zu und ich grüßte zurück. „Die Bitch Bibel“ erschien vergangenes Jahr 2020 im rosigen Gewand, mit einer nackten heiligen Maria Nachbildung als Cover Art. Mit getuntem Körper und Gesicht, sowie mit blonder Echthaarperücke, mit Rosenkranz und pinken Tuch, der als Schleier gilt, faltet Katja Krasavice ihre Hände zum Gebet. Eine Träne rinnt aus ihrem Auge.

Egal ob du eine Nonne oder eine Schlampe bist: Steh zu dir!

Diesen Leitsatz fand ich super. Das Buch wollte ich lesen. Es ist auch leicht zu lesen, nur mit dem bitteren Beigeschmack der Jugend-Fachsprache, die mir unangenehm ist. Zum Beispiel: Das Wort „Schlampe“ kommt in meinem Sprachgebrauch nicht vor, außer ich kreische zu „Schlampenfieber“ von Rosenstolz.

Zum Buch: Mit einem Ritt (Wortwitz! – würde Katja gefallen…) war ich auch durch. Katja Krasavice beschreibt in aller Offenheit, aufrichtig und unzüchtig in zehn Geboten über ihr Leben bis ins Jahre 2020.

Sie liebt den Anreiz des Aufreizens; den Barbie-Stil, Körper-Tuning, die Farbe Rosa. Keuschheit existiert nicht in ihrem Wortschatz. Ihre Muse ist der Sex, den sie auslebt, jedoch ohne selbst zu einem käuflichen Mädchen zu werden oder als Pornodarstellerin tätig zu sein. In dem Buch wird ebenfalls ersichtlich, wie sie zu sich und ihrem Leben steht, auch wofür sie sich schämt, was passiert ist, was sie tat. Sie erzählt ihre Story der persönlichen Verbitchung, die eines Videoportal-Giganten, ihre Vielfalt als Erregungskünstlerin und wie sie zur tüchtigen Bo$$ Bitch wurde.

Obwohl sie in jungen Jahren Jungfrau war, wurde sie aufgrund ihrer „selbstgewählten Selbstdarstellung der Selbstbestimmung“ ausgelacht, bloßgestellt und seelisch misshandelt. Durch die Demütigung wurde sie stärker: „Wenn schon, denn schon. Jetzt erst recht!“

Sie wusste, was sie wollte, und wie.

Zudem verfluchte sie ihr Jungfernhäutchen. Es musste weg! In einer (für mich sehr abstoßenden) Aktion, versuchte sie es mit einem Brillenbügel zu zerstechen. In mir zieht sich immer noch alles zusammen. Es zeugt auch von Mut über den eigenen Vater zu schreiben, und somit einen Seelenstriptease hinzulegen und der Welt zu gestehen, dass ihr Vater sich an ihren Freundinnen vergangen hat.

Freizügig feiert sie ihre Sexualität und wird dafür verspottet. In dem Buch wird deutlich, wie sie sich fühlte, wie sie geächtet und seelisch getreten wurde, weil sie beispielsweise mit zwei Jungs in einer Eishalle auf der Toilette Koitus betrieb.

Auch beschreibt sie wie sie von einem verrauschten, leichten Mädchen zusammengeschlagen wurde, wobei ihre „Freunde“ sich einen feuchten Dreck darum scherten und ihr nicht geholfen haben. Sie war nur zum Kiffen und zum Ficken gut genug; für mehr reichte es nicht. Auch zog sie zeitweilig nachts in den fatalistischen, fanatischen Kreuzzug, um Sex zu verkünden und es zu (be-)treiben, mit wem auch immer.

Vom Leben wurde sie naiv ausgestattet, fast auch zu lieb, dadurch befand sie sich im Glauben, die richtigen Personen um sich herum gefunden zu haben, doch wollte sie nur akzeptiert werden und dazugehören. Letztendlich legte sie die Naivität ab, die auch mich aufatmen ließ, während ich las. Katja Krasavice, das kleine pinke Vögelchen, machte bittere Erfahrungen, erduldete und erlitt dadurch sehr seelische Verletzungen.

Nahezu wurde ihre Naivität, mitunter auch ihre Sexsucht, gefährlich – zu gefährlich, meiner Meinung nach. Nichtdestotrotz scheint jemand über ihr Leben zu wachen, wahrscheinlich ihre beiden verstorbenen Brüder. Ihre in dem Buch verfasste Trauer kann ich sehr gut nachvollziehen, denn es ist auch schwer Geschwister zu überleben.

Aus Spott & Hohn wurde sie zur erfolgreichen Influenzerin. In jungen Jahren raschelten die ersten Scheine zu ihr. In der „Bitch Bibel“ erzählt sie davon und wie sie den Ruf zur Musik fand, ebenso wie sie sich weiterhin präsentieren wollte, sich ihr Bo$$ Bitch Image schuf und es auch pflegt. Es geschieht alles in ihrem Sinne, so wie sie es sich vorstellt. Bemerkenswert ist, dass sie in voller Bandbreite zu sich steht, wie auch ihre Mutter. Während ihre Mutter in einem reichen Haushalt putzte, räkelte ihre Tochter sich jüngst vor der Kamera für ein neues YT-Video.

Die Business Bitch hat mit ihrer One Million Dollar Pussy alles erreicht, was sie wollte. Und heute interessiert es sie einen Fick, was andere über sie denken und von ihr halten. Nun rennen sie ihr hinterher, doch sie hat für sie nur ein müdes Lächeln und den ausgestreckten Highend-Mittelfinger übrig.

In ihrer „Bitch Bibel“ schließt sie nach jedem Gebot mit einem treffenden Schlusssatz ab sowie mit: „Amen!“.

***Ein mutiges Buch. Bis zu dieser Veröffentlichung, wusste ich nicht einmal, dass die gebürtige Tschechin notgedrungen zur Leipzigerin wurde.  Es war gut, dass sie es geschrieben hat. Sie zeigt, was sie hat. Ich gönn es ihr. „Amen!“