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Qntal – IX – time stands still
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Qntal – IX – time stands still

Qntal legen mit „IX – time stands still“ ihren musikalischen Zauber in die „stille Zeit“ – einer Zeit, die sehr umstritten war. Jedoch gelang es vielen darin aufzuatmen, umzudenken, sich-zu-sortieren, auch um Neues zu erlernen. Der deutsche Musiker und Komponist, sowie Mitbegründer Qntals, Michael Popp, erlernte zum Beispiel ein neues Instrument, – die indische Bansuri, und zog sich intensiv in die Musik zurück. Syrah gab sich indessen mit glücklichem Blick einer weiteren „alten“ Sprache hin, die sie im Mezzosopran wiederum mit Leben erfüllt. Darüber hinaus schenken Qntal den alten Sprachen, die längst nicht mehr gesprochen werden, ein Aufleben, das Räume in ihrer schönsten Weltseele erfüllt. Dazu kleiden sie diese erlesene Wortkunst in ein mittelalterlich-elektronisches Gewand.

Syrah und Michael legten den Wert in der Entstehung des neuen Albums in die Intensivierung der Lieder und gaben ihnen mehr Fülle, Feinheiten und Tiefe. Diesem musischen Kapitel gaben sie, aufgrund der globalen Zwangspause, mehr Zeit und Raum in der Entfaltung als den Alben zuvor. Dies lässt sich mit der Weite der Klangfarben erspüren und mit dem Hören des Kunstwerkes ergründen, welches einem Konzept entspricht, der wie ein sanft-rauschender Bach an moosbedeckte Felsen und „unter Sträuchen lieblich mir zu Füßen fließt.“

Mit „IX – time stands still“ dürfen wir mitunter in einem Heer aus goldenen Narzissen baden, an einem Brunnen sitzen und dem Frühling zublinzeln. Wir erhören dem erschallenden Ruf eines schwarzen Vogels oder sinnieren zu einem Alterslied. Zudem gönnen sich Qntal ihr erstes Cover, einem Blue Öyster Cult 70er-Jahre Classic-Rock Song, jedoch in der wehmütigen „Michael-Leird / Unto Ashes-Version“ vom „Empty Into White“- Album aus dem Jahre 2003.

Die Eröffnung des prächtigen Werkes beginnt mit einem Spaziergang in der winterlichen Landschaft. Die Zeilen zu „Winterly Waves“ entstammen aus einer keltischen Dichtung aus dem 8.Jahrhundert. Es umschreibt den Stillstand ohne Menschen und Kultur, inmitten unergründlicher Kräfte und Kreisläufe der Natur.

Nach Winter folgt der Frühling. Mit „Fontanas“ genießen wir die Frühjahrspracht in all ihren Sinnen. Der Liedtext entstammte von Guillaume de Poitiers (Wilhelm IX von Aquitanien), dem ersten Troubadour.

„Don’t Fear The Reaper“ beschreibt in melancholisch-depressiver Ummantelung die Geschichte eines Mädchens, das Selbstmord begangen hat. Das Stück ist eindringlich, zudem mit einer leisen Wucht schärfend, die mit einem Glockenkolorit veredelt wurde. Michael Popp verzerrter, säuselnder Gesang erklingt wie ein Geist im Wind.

Es ist die Macht der Lyrik, der sich Qntal liebevoll widmen und sich den alten Sprachen hingeben und diese mit modernen vereinen. Der lateinische Text, der im tanzbaren „Quis est Deus“ zu hören und zudem ins englische Wort übersetzt worden ist, weilt in geistlicher Konversation anno Domini 432, die sich mit der Frage Gottes auseinandersetzt.

„Dancing with the Daffodils“ ist ein schwebendes Stück, welche mit feinen Strukturen erklingt. Dieses Glanzstück ist William Wordsworth bekanntestes Gedicht. Und Syrah trägt die Sanftheit der Dichtung wie ein Lächeln auf himmlischen Weiden… Wo ferner am Loch Laig der Ruf des schwarzen Vogels erschallt.

Qntals Liebe für Minnegesang wird womöglich nie vergehen. Dementsprechend begeben wir uns an einen Waldesrand mit Heinrich von Morungen für das „Morungens Liebeslied“, einem rauschenden Tagtraum, um die Begegnung zweier Liebenden heimlich zu beobachten.

Folglich erklingt mit „O Welt“ das Alterslied eines darin grübelnden Walthers von der Vogelweide. In diesem Buß- und Reuelied reflektiert er seinem Leben und Wirken. Dazu lässt Qntal die Gedanken des japanischen Mönches und Poeten Saigyõ mit einfließen.

Und zum Abschluss eines lyrischen wie auch musischen Gesamtkunstwerkes wird noch einmal mit „Time Stands Still“ dargelegt, dass der Wandel beständig und keiner davor gefeit ist. Das im 17. Jahrhundert von John Dowland geschriebene Stück beinhaltet eine Botschaft, die wichtig ist: „mein Mut wird meine Treu’ beweisen, und Treue meine Liebe eichen“.

Syrah und Michael haben mit „IX – time stands still“ verdeutlicht, wie vergänglich und gegenwärtig zugleich die „Alte Sprache“ sowie das damalige Gedankengut sein kann. Ebenso, dass im 8. Jahrhundert die Zeit genauso still stand wie im 21. Jahrhundert, sowohl wie der Mensch fühlt und atmet, als auch die Natur sich erneuert.

Musik ist eine Weltseele! Dies haben Qntal mit „IX – time stands still“ anmutig in ihrer Unvergänglichkeit bewiesen.


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